Schützenverein Ostbezirk e.V.

Vereinsgeschichte

Die Maifeste 1927 bis 1953

»Er ist groß gewachsen, von heller Hautfarbe, trägt weiche, gutmütige Gesichtszüge und ist wahrhaftig fromm und von tiefem Rechtsgefühl. Sein Sinn für stille Ordnung und Wirtschaftlichkeit läßt ihn zu Wohlstand kommen, dagegen fehlt ihm die Anlage zur Spekulation, der Unternehmergeist.«

So charakterisiert die Dichterin Annette Freiin von Droste-Hülshoff den Bewohner des »münsterischen Tieflandes«, einen Menschen, dem weiterhin Aufrichtigkeit, Gastfreundschaft, Humor, Tapferkeit, Fleiß, Sparsamkeit und tiefe Religiosität zugesprochen wird. Diese Attribute mögen in ihrer Gesamtheit der heutigen Zeit wohl nicht mehr voll und ganz entsprechen, vor etwa 75 Jahren hatten sie aber sicherlich noch ihre Gültigkeit.

Eine weitere Eigenart, der ausgeprägte Nachbarschaftsgeist, wird seinerzeit mit dazu beigetragen haben, dass einige Bewohner des »münsterischen Tieflandes«, die vor den Toren der Stadt Warendorf ein einfaches Leben lebten, eine nicht alltägliche Idee hatten! Sie bestand darin, in diesem kleinen ländlichen Bezirk, dem Stadtfeld, eine Maifeier in der Art eines Scheunenballes zu veranstalten. Der Wunsch nach Abwechslung vom gewohnten eintönigen Arbeitsalltag hatte einige junge Männer auf diesen Gedanken gebracht, der, sobald er geboren war, bald wieder verworfen wurde; denn allgemeine Skepsis über das Wie, Wo und Warum breitete sich aus. Wie sollte so etwas organisiert werden? Würden sich auch genügend Nachbarn begeistern lassen und vor allen Dingen: Was sagten die Frauen dazu? Schließlich hatte es so etwas in dieser Form hier noch nicht gegeben. Bekannt waren größere offizielle Veranstaltungen mit Tanz und Musik in der Stadt und den umliegenden Dörfern und Gemeinden, vor allem im Nachbarort Freckenhorst, zu dem, durch die Lage bedingt, ein etwas engerer Kontakt bestand und dessen Festlichkeiten gelegentlich besucht wurden. Einige der älteren Stadtfelder erinnern sich heute daran, dass nach einigem Für und Wider doch noch eine solide Grundlage zum Gelingen der ersten Maifeier gefunden wurde. Man verkaufte mit großem persönlichen Einsatz Karten an Nachbarn und in der Stadt, an Bekannte und Verwandte. Diese konnten für jene Eintrittskarten, die 20 Pfennige kosteten, während der Feier 2 Bier à 10 Pfennige oder auch 4 Korn à 5 Pfennige bekommen; Musik zum Tanz war inbegriffen. »Wenn man schon Geld investiert, will man auch etwas davon haben«, dachten die Initiatoren und hofften auf ein reges Interesse. Mit ihrer Überlegung sollten sie recht behalten. – So konnte dann im Mai 1927 im Schatten der alten Eiche auf dem Hofe Lutterbeck – die gleiche Stelle, an der wir 1978 unser 25jähriges Jubiläum feierten – unter großer Beteiligung das erste Maifest seinen Lauf nehmen.

Die Getränke, ein paar Fässer Bier und Korn, waren am Vorabend mit einem großen Bollerwagen vom Bierverlag Hendker (Oststraße) herbeigeschafft worden. Um genügend Sitzgelegenheiten zu schaffen, brachten die Stadtfelder Stühle und Bänke von Zuhause mit. Der Scheunenboden wurde mit gehäckseltem Stroh in eine glatte Tanzfläche verwandelt. Heinrich Schwakenberg nahm mit seinem »Treckebüehl« auf der Holztreppe zum Kornboden Platz und spielte zum Tanz auf. Zwischendurch wurden von einigen Aktiven plattdeutsche Döhnkes vorgetragen, die wegen ihrer treffenden Deftigkeit die Stimmung hochschlagen ließen. So war es auch nicht verwunderlich, dass gegen 22.30 Uhr der Getränkevorrat zur Neige ging und noch einmal Nachschub geholt wurde, der dann bis zum Ausklang im Morgengrauen reichte. Kassierer Heinrich Brinkmann erinnerte sich seinerzeit daran, dass beim Kassensturz 37,50 DM Gewinn übrig blieben. Damit war der Grundstein fürs nächste Maifest gelegt. Völlige Übereinstimmung gab es in diesem Punkt: Dieses Fest musste im nächsten Jahr wiederholt und weiter ausgestaltet werden.

Im darauffolgenden Jahr und auch weiterhin, bis Anfang der dreißiger Jahre, feierte man an gleicher Stelle mit immer größerem Erfolg. Der Schwerpunkt des Festes verlagerte sich allmählich aufs Theaterspielen; die plattdeutsche Sprache mir ihrem bäuerlichen und heimatbezogenen Charakter trat in den Vordergrund. Dann, 1933 oder 1934, veranstaltete man die Feier erstmalig beim Nachbarn Freye. Über dem Rübenkeller in der Scheune wurde mit selbstgezimmerten, kunstvoll bemalten Kulissen eine perfekte Bühne erstellt. Bernhard Hölscher arrangierte eine schlagkräftige Spielertruppe, deren gekonnt aufgeführte Einakter großen Anklang fanden; er selbst übernahm die Rolle des Souffleurs und Einstudierers. Um dieses Fest zu ermöglichen, mussten am Tag vorher etliche Fuder Heu aus der Scheune heraus und auf den Hausboden geschaffen werden. Zum Dank für die Mühen gab es Korn. Neben den Theateraufführungen trat dann auch eine Verlosung mit allerlei nützlichen Gewinnen in den Vordergrund; unter anderem konnten »steife Hosenträger von Hunkemöller« oder »Sockenhalter für den Herrn« gewonnen werden. Den musikalischen Beitrag leistete weiter-hin Heinrich Schwakenberg, der uneigen-nützig zu jedem Fest aufspielte. Zu seinem »Treckebüehl« kam ein Schlagzeug hinzu, das er von einem Warendorfer Gestütsbeamten erstanden hatte. Einige Frauen und Mädchen übten alljährlich Bauerntänze ein, die viel Begeisterung und Zuspruch fanden. Bemerkenswert ist, dass in diesen Jahren der Entwicklung und des Aufbaues die immer höheren Unkosten von den Aktiven und Nachbarn selbst bestritten wurden. Beiträge oder sonstige Einnahmen standen nicht zur Verfügung. Man gehörte eben einer Gruppe von Menschen an, die aus Nachbarschafts- und Brauchtumspflege gern einige Belastungen in Kauf nahm, um der jetzt schon gewohnten Tradition eine Zukunft zu geben.

Die Maifeste waren zu einem selbstverständlichen, festen Bestandteil im Jahresablauf der Stadtfelder geworden. Die Theateraufführungen wurden über dessen Grenzen hinaus bekannt, so dass der Zulauf und die Teilnahme aus den Nachbargemeinden und Bauernschaften jährlich zunahm. Dieses spornte zu besseren und anspruchsvolleren Aufführungen an. Nachmittags spielte man neben den sonstigen Programmpunkten für die Kinder und Senioren, abends noch einmal für die feiernden Gäste und Nachbarn. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges setzte dieser Tradition ein vorläufiges Ende. Die Mehrzahl der jungen Männer musste den Soldatenrock anziehen. Zwangsläufig konnte in der Heimat keine Maifeier stattfinden; niemandem stand in Anbetracht der Sorgen und Nöte der Sinn danach. Im Warendorfer Kolpinghaus fand man sich im Mai des Jahres 1947 zum ersten Maifest nach dem Krieg zusammen. Die Wirren der vergangenen Jahre und die schmerzenden Lücken in den Reihen der jungen Männer trugen dazu bei, dass die Teilnahme und Begeisterung nicht wie früher waren, aber der Wille aller Aktiven zum Wiederaufbau brachte in den nächsten Jahren erneut Erfolg. Im Spätsommer wurde zusätzlich zu den Maifesten ein Erntedankfest veranstaltet, bis man 1951 wegen zu hoher finanzieller Belastung das Kolpinghaus wieder verließ und in althergebrachter Weise auf dem Hof Freye das alljährliche Fest feierte. 1952 wurde zum ersten Mal ein Vorstand gewählt, dem die Planung und Organisation der Feierlichkeiten oblag.

Im nächsten Jahr, 1953, beschloss man während einer öffentlichen Versammlung im Gasthof Niemer-Everding, das Maifest aus Anlass des 25-jährigen Bestehens an zwei Tagen zu veranstalten: Am Sonntag, dem 31. Mai, feierte man in althergebrachter Art mit Theateraufführung und Tanz; am Montag wurde zusätzlich zur Verlosung ein Preis-und Hampelmannschießen durchgeführt. Da das Wetter in jenem Jahr kein Einsehen mit den Stadtfeldern hatte, zog man mit dem Schießstand in die Scheune und versuchte durchs offene Scheunentor hindurch dem bunt angemalten Hampelmann mit einem Luftgewehr den Garaus zu machen. Dem langjährigen Musiker Heinrich Schwakenberg gelang es mit einem gezielten Schuss die Reste des Hampelmannes von der Bohnenstange zu holen. Entgegen der ursprünglichen Absicht bestand er darauf, einen Hofstaat zu bilden, in den er neben Königin, Frau Lutterbeck, folgende Personen berief: Heinrich Lutterbeck mit Frau Schwakenberg, Bernhard Strohbücker mit Frau Strohbücker, Heinrich Johanterwage mit Gertrud Linnemann. Die Bildung dieser Throngesellschaft trug im Nachhinein dazu bei, dass dieses Maifest aus Anlass des 25-jährigen Bestehens das Letzte bleiben sollte und gleichzeitig als das erste Schützenfest in die Geschichte des Schützenvereins Ostbezirk einging.

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